Leserbrief vom 16.10.2007, Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern

Können Nationalratskandidaten und –innen logisch denken?

Diese Frage muss ich mir stellen, wenn ich die Parteiparolen und die Kandidaten-Versprechen studiere. Praktisch alle Parteien wollen gegen die Klimaerwärmung kämpfen und alle Parteien, von links bis rechts, setzen sich für ein Wirtschaftswachstum ein. Für mich sind das extreme Widdersprüche. Ich vermute, dass die wenigsten Kandidaten sich bewusst sind, was die Freisetzung von CO2 langfristig bedeutet. Die fossilen Brennstoffe wurden vor Millionen von Jahren gebunden, was das Klima auf der Erde sehr, sehr langsam verändert hat und das Leben von Menschen erst ermöglichte. Die industrielle Zivilisation hat innert 100 Jahren etwa die Hälfte des gebundenen Kohlenstoffs freigesetzt und damit das Klimarad um Jahrmillionen zurückgedreht. Es ist eine Illusion zu glauben, mit einer Reduktion des CO2 –Ausstosses um 20 % sei das Klima gerettet. Die Veränderung geht lediglich etwas langsamer. Ist ein Gewässer verschmutzt, können wir den Schadstoffeintrag verringern und der Zustand des Gewässers verbessert sich. Bei der Luft funktioniert das nicht.

Die Folgen von Wirtschaftswachstum
Kürzlich war wieder einmal zu lesen, dass in der Schweiz jede Sekunde 1m2 überbaut wird. Das sind 3600 m2 pro Stunde, 8,6 ha pro Tag und 3139 ha pro Jahr.
Folglich wird in ca 300 Jahren alles Kulturland in der Schweiz überbaut sein.
Abgesehen davon, dass nebst den Wäldern keine Erholungslandschaft mehr vorhanden wäre, hätte das folgende Konsequenzen:

  • jährlich geht die Nahrungsgrundlage von 12 556 Menschen verloren
  • jährlich wird in der Schweiz so viel Sauerstoff durch Pflanzen weniger produziert, wie ca 6000 Mittelklass-Autos mit 10'000 km Jahresleistung verbrauchen
  • die oberflächliche Ableitung von Regenwasser führt einerseits zu einer Verkleinerung der Grundwasservorräte und andererseits zu massiv mehr Ueber-Schwemmungen.


Fazit: Wirtschaftswachstum im herkömmlichen Sinn ist nicht möglich und zerstört unsere Nahrungsgrundlage. Wo bleibt da die Logik, wenn sich Kandidaten genau dafür stark machen.

Die Folgen der Klima-Veränderung
Lange wurde allgemein bestritten, dass das Klima durch den CO2-Ausstoss verändert wird. Das ist Schnee von gestern. Aber über die Folgen ist man sich offenbar noch nicht im Klaren. Es ist kaum so, dass sich Veränderungen linear bemerkbar machen. Plötzlich können Systeme kippen, z.B. wird vermutet, dass der Golfstrom nicht mehr nach Nordeuropa fliessen könnte, was zur Folge hätte, dass Skandinavien kaum mehr bewohnbar wäre. Klar ist erkennbar, dass Unwetter, Wirbelstürme, Ueberschwemmungen und Trockenheiten zunehmen. Das verringert die Nahrungsmittelproduktion. Bereits sind die Weltmarktpreise für Getreide stark gestiegen. Von welchem Kandidat haben sie gehört, er setze sich für eine gesicherte Nahrungsmittelproduktion ein?

Benzin oder Brot?
Oft hört man die Meinung, man könne das Energie-Problem mit CO2-neutralen Biotreibstoffen lösen. Auf einer Hektar Ackerland können ca 1500-2000 l Bio-Diesel oder Bio-Aethanol produziert werden. Zieht man den Energieaufwand für die Produktion ab, bleiben magere 1000 – 1500 l. Das reicht gerade für ein Auto mit einer Jahresleistung von 10-20'000 km. Auf der selben Fläche könnten 5000 kg Getreide produziert werden mit denen man etwa 16 Menschen ein Jahr lang ernähren könnte. 15'000 km Autofahrt oder ein Jahr lang Brot für 16 Menschen!

Ueberfällige Konsequenzen

  • Der Schutz des landwirtschaftlichen Boden muss absolut sein. Ausnahmeregelungen wie im Grossen Moos oder in Andermatt dürfen nicht mehr bewilligt. werden.
  • Die Schweiz ist kein Einwanderungsland. Langfristige Arbeitsbewilligungen und Einbürgerungen sind massiv einzuschränken
  • Treibstoffe sind zu kontingentieren oder sehr stark zu verteuern, auch Flugbenzin.
  • Es werden keine neuen Strassen mehr gebaut
  • Einkaufmöglichkeiten sind in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten und nur für die Region zu bauen
  • Verkehr, auch öffentlicher, ist möglichst durch strukturelle Massnahmen, überflüssig zu machen
  • Es ist möglichst rasch ein Null-Wachstum anzustreben. Dazu sind grundlegende wirtschaftpolitische Massnahmen notwendig. (Das rasante Kapitalwachstum erfordert Wirtschaftswachstum)


Leider gibt es keine Partei und kaum Kandidaten, die sich konsequent für unsere dringendsten und wichtigsten Existenzgrundlagen, die Nahrung,Boden, Wasser und Luft einsetzen. Kandidaten, die sich für Wirtschaftswachstum stark machen, kommen nicht auf meine Liste. Nötig sind unabhängige Leute mit viel Weitblick, die alles hinterfragen und Lösungen suchen, die unsere langfristige Existenz auf dieser Erde in Würde ermöglichen. Mir fällt da nur gerade Lisette Müller-Jaag ein.

Paul Leuthold, Maschwanden


 
  14-Feb-2011 aktualisiert