Artikel vom März 2007, Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern

 

.. von Lisette Müller-Jaag, Knonau

Und schon wieder geht die Amtsdauer zu Ende……

Die erste Ratssitzung hatte eben begonnen, die Worte des Amtsgelübdes klangen in meinen Ohren nach und ich verglich die vielen Gesichter im Rat mit dem Sitzplan der 180 Kantonsratsmitglieder. Das war im Mai 2003. Gerne sah ich meiner neuen Tätigkeit entgegen, war gespannt auf alles was da vor mir lag und freute mich, nach vielen Jahren in kommunalen Ämtern nun auf einer höhern Ebene mitgestalten zu können.

„Nun, wie gefällt es dir, bin ich in den vergangenen vier Jahren immer wieder gefragt worden. „Gut, danke“ – das trifft auch heute noch zu. Und da wo mit der Frage nach hohen Aktenbergen, endlosen Sitzungen und komplexen Geschäften fragend nachgehakt wird, kommt der Hinweis, dass ich dies ja zuvor schon gewusst hatte. Interessant, arbeitsintensiv, nicht immer nur erfreulich, gesamthaft aber eine positive Sache. Auch jetzt nach vier Jahren. Der zeitliche Aufwand beträgt zwischen 1 und 3 Tage pro Woche, seitdem ich in der Geschäftsprüfungskommission bin, mitunter sogar noch mehr. Genugtuung erlebe ich vor allem da, wo es gelingt, etwas zum Wohl der eigenen Region herauszuholen, oder mit meinem Engagement zu einer ganzheitlichen Schulbildung, zu mehr sozialer Gerechtigkeit, zur Bewahrung der Schöpfung beizutragen und wo der Einsatz sinnvoll erscheint. Die Themenpalette ist gross.

Nicht immer gelingt, was man sich vornimmt. Doch das gehört zum Spiel. Es darf einem nicht den Atem nehmen, jmit Sachzwängen umgehen müssen alle. Von den 31 Vorstössen, die ich lanciert oder mitunterzeichnet habe, ist ein schöner Teil überwiesen worden. Gerade am letzten Montag verlangten wir mit einem dringlichen Postulat, dass die Regierung ein Konzept für den öffentlichen Verkehr vorlege, die eine möglichst gute Situation für unsern Bezirk nach Eröffnung der Autobahn sicherstelle. Da darf man gespannt sein. Oft waren es einfache Anfragen, die wir einreichten, die dann Aufschluss zur aktuellen Situation vermittelten und aufzeigten, wo nachzuhaken ist. Und dabei war zuweilen festzustellen, dass allein die gestellten Fragen bereits Aktivitäten zur Lösung vorhandener Probleme auslösten.

Eine ebenbürtige Stellung der Frau, Lohngleichheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind Gegenstand unserer Tätigkeit in der Gleichstellungskommission des Kantons. Für mich sind es nicht einfach Betreuungsangebote, die im Vordergrund stehen oder möglichst alle Frauen in die Berufstätigkeit zu holen, sondern –und das scheint mir in der heutigen Zeit besonders wichtig- eine echte Wahlfreiheit. Junge Familien sollen selber darüber entscheiden können, wie sie die Familienarbeit unter sich aufteilen wollen. Hierzu bedarf es genügender Teilzeitstellen für Männer wie auch für Frauen und auch der Erziehungs- und Familienarbeit gebührt adäquate Wertschätzung. Die Familie ist das „Saatbeet“ der Gesellschaft, wo Wurzeln, Werte und Identität vermittelt werden. Wir wissen, welch wichtige und anspruchvolle Aufgabe das ist in unserem Staat. Im Kantonsrat haben wir uns für den Vaterschaftsurlaub bei der Geburt eines eigenen Kindes eingesetzt, für Timeout-Einrichtungen, Betreuungsangebote und das Splitting für Ehepaare im Steuerrecht.

Zur Ratstätigkeit gehören auch die Fraktions- und Kommissionssitzungen, Vorbereitungsarbeit, Aktenstudium etc. Immer wieder wird man als Politiker/in auch zur Mitarbeit angefragt in Stiftungsräten und Vorständen gemeinnütziger Institutionen: work4you zum Beispiel schafft Arbeitsplätzen für junge Erwerbslose, die Evangelische Gesellschaft steht u.a. hinter der Telefonseelsorge „Dargebotene Hand“. Im ersten Herbst habe ich die Volksinitiative „Chancen für Kinder“ mitinitiiert, welche im Juni zur Abstimmung kommt. Sie will Ergänzungsleistungen für Armutsbetroffene Familien mit kleinen Kindern einführen. Wer weiss schon, dass im reichen Kanton Zürich jede vierzehnte Familie mit kleinen Kindern von Armut betroffen ist und jede 5. allein erziehende Mutter unter dem Existenzminimum lebt? Ergänzungsleistungen als Mittel gegen Familienarmut sind sinnvoll. Sie haben sich bei der Überwindung der Altersarmut bereits bewährt: Es sind gezielte Beiträge, keine Giesskannenprinzip, die nur bei Bedarf gewährt werden und massive Folgekosten vermeiden können.

Spätestens mit der Veröffentlichung des Weltklimaberichts des IPCC wurde bekannt, wie dringlich die Klima- und Energiepolitik ist. Ich bin überzeugt, dass hier die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte liegt. Gelingt es uns weniger Energie zu verbrauchen und diese aus erneuerbaren Quellen zu produzieren? Dass es machbar ist, zeigen uns umliegende Länder wie Deutschland, Österreich, Schweden und auch Norwegen. Vor zehn Jahren waren wir etwa auf dem gleichen Stand. In der Zwischenzeit hat z.B. Österreich seinen fossilen Energieverbrauch um ein Vielfaches reduziert, während er in der Schweiz weiter angestiegen ist. Es braucht den politischen Willen. Mit Gebäudesanierungen und Neubauten im Minergiestandard lässt sich der Energieverbrauch im Haus auf die Hälfte bis zu einem Drittel verringern. Sonne, Wind, Holz, Wasser und Biogas verfügen über ein riesiges einheimisches Potenzial. Ihre Nutzung vermindert den CO2-Ausstoss und schafft Wertschöpfung in der eigenen Region. Ob das wohl schon genügend bekannt ist?

 

Hier liegt das Grossartige eines politischen Engagements: Einblick erhalten in die grössern Zusammenhänge und die eigenen Möglichkeiten nutzen, um in der Öffentlichkeit und in den politischen Gremien die nötigen Entscheide herbeizuführen. Alle 180 Mitglieder des Kantonsrats haben wir gelobt, uns zum Wohle der Menschen und unseres Kantons einzusetzen. Das Engagement lohnt sich und die Parteienvielfalt mit den unterschiedlichen Standpunkten hat grundsätzlich das Potenzial, zu ausgewogenen und zukunftsweisenden Lösungen zu führen.

7. März 2007

Lisette Müller-Jaag Kantonsrätin EVP, Knonau


 
  14-Feb-2011 aktualisiert