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Artikel vom Juni 2007, Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern
Grösse und Verantwortung
„Suchet das Wohl des Landes“ schreibt der Prophet Jeremia. Ein solcher Suchender war auch Winston Churchill, von dem der Satz „Der Preis der Grösse heisst Verantwortung“ stammt. Oder in den Worten des deutschen Schriftstellers Jakob Wassermann: „Verantwortungen werden immer dann zu gross, wenn man sich ihnen entziehen will.“
Verantwortung trägt auch, wer für ein Amt gewählt wird. Von Wählern, die uns trauen. Zutrauen, dass wir mit unserem Wissen, Können und Einsatzbereitschaft mithelfen, vernünftige Entscheide zu fällen. Vor drei Wochen legten wir im Kantonsrat wieder unser Amtsgelübde ab und versprachen, unser Amt gewissenhaft und zum Wohle von Staat und Volk auszuüben.
Auch ich habe gelobt, bei meinen Entscheidungen das Gemeinwohl vor persönliche Interessen zu stellen. Und uneigennützig zu handeln, so wie es die Verfassung verlangt, die unsere Grundrechte festlegt. Zu ihnen gehört auch das Recht auf Hilfe in Notlagen. Ein Recht, das allen Menschen zusteht, ganz besonders Kindern und Jugendlichen. Die Verfassung fordert die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze ebenso wie die Vorgaben für den Umweltschutz und ein nachhaltiges Wirtschaften. Unser demokratisches System, unsere Verfassung und die Gesetze gründen auf den Werten des Christentums.
Bewährtes weiterführen
Den Schwachen zu schützen, ist ein Wert, der unsere Kultur und unser Zusammenleben prägte. Diese Haltung bewegte unsere Vorfahren dazu, mit Sozial- und Krankenversicherungen für den Notfall vorzusorgen. Und als sich vor 30 Jahren zeigte, dass immer mehr Betagten das Nötigste zum Leben fehlte, wurden Ergänzungsleistungen eingeführt. Leistungen, ohne die viele Mitmenschen ihren Lebensabend nicht in Würde geniessen könnten. Leistungen, die heute keine Partei in Frage stellt. Dass sich die dunklen Wolken über der älteren Generation heute verzogen haben, ist schön. Aber sie sind nicht für Alle verschwunden, sondern werfen ihre Schatten in den letzten Jahren zunehmend auf Familien mit Kindern. Was liegt also näher, als auch in diesen Notfällen auf das bewährte System der Ergänzungsleistungen zurückzugreifen. Am 17. Juni haben wir die Gelegenheit dazu, wenn wir Ja zur Volksinitiative „Chancen für Kinder“ sagen. Ja zu einer Lösung, die Familien mit kleinen Kindern gezielt hilft, wenn das Einkommen nicht ausreicht. Ja zu einem System, das nicht nach dem Giesskannenprinzip funktioniert und nur solange zur Anwendung kommt, bis das jüngste Kind zum ersten Mal vor dem Schulhauseingang steht.
Es ist schön, wenn der Entscheid zur Gründung einer Familie nicht von den finanziellen Verhältnissen abhängig gemacht werden muss. Ob dies die 20'000 Kinder allerdings auch so schön finden, die im Kanton Zürich von Armut betroffen sind, steht auf einem anderen Blatt. Denn schlechtere Zukunftsaussichten zu haben, nur weil Ihre Eltern mit ihrer Arbeit nicht genügend Geld für den Lebensunterhalt verdienen, lässt sich Kindern schlecht erklären. Fest steht jedenfalls, dass dunkle wirtschaftliche Aussichten sicher zu den Gründen gehören, weshalb bereits mehr als die Hälfte aller jungen Paare keine Kinder mehr hat. Könnten sie im Notfall Ergänzungsleistungen beantragen, würden sich junge Menschen den Wunsch nach einer Familie wohl eher erfüllen. Denn auch der Entscheid für Kinder hat mit Verantwortung zu tun.
Die Schöpfung bewahren
Zu den christlichen Werten zählt auch die Bewahrung der Schöpfung und damit die Erhaltung eines gesunden Lebensraumes. Wie sehr dieser Raum auf Schutz angewiesen ist, zeigt der UNO-Weltklimabericht in aller Deutlichkeit. Die Lage ist inzwischen so prekär ist, dass selbst hart gesottene Politiker ihre bisherige Haltung überdenken. Und es sollte aufhorchen lassen, dass 65% der Jugendlichen die Frage bejahen, ob die Schweiz das Autofahren einschränken soll, um das Klima zu schützen. Das ergab eine repräsentative Umfrage unter 14- bis 18-Jährigen, die der Sonntagblick letztes Wochenende veröffentlichte. Die Klimawende betrifft uns alle. Aber wenn wir das Problem gemeinsam angehen, wird es uns gelingen, das Schlimmste noch abzuwenden.
Berichte, die aufzeigen, was unsere eigenen Beiträge bewirken können, sind ermutigend. Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Zum Beispiel: Nur so viel brauchen, wie notwendig ist - bei der Wahl der Fortbewegungsmittel, beim Licht und beim Einkaufen an die Umwelt denken – auf Wärmedämmung und erneuerbare Energien setzen. Die Suche nach Alternativen, ihre Weiterentwicklungen und ihre Anwendungen sind auch unter wirtschaftlichen Aspekten sehr interessant. Daher erstaunt es nicht, dass die Börse inzwischen Unternehmen prämiert, die neue Wege gehen. Und wenn wir diese neuen Wege beschreiten, lässt sich sogar die Energieproduktion ganzer Atomkraftwerke einsparen. Würden wir alle nach Süden gerichteten Dächer von Schweizer Bauernhöfen mit Solarpanels bestücken, hiesse das ein AKW weniger. Würden wir Standby-Energie konsequent ausschalten, noch ein AKW weniger. Würden wir nur Sparlampen, energieeffiziente Geräte oder Beleuchtungskörper der A-Klasse nutzen, noch ein weiteres AKW weniger.
Es ist Aufgabe der Politik, gute Rahmenbedingungen für die Nutzung neuster Technik zu schaffen. Was zu den Aufgaben des Staates gehört und was nicht, ist auch eine Frage persönlicher Werthaltungen. Ich meine, dass massgeblich ist, was dem Menschen auf lange Zeit dient. Wenn ich das Wohl des Volkes im Auge behalte, dann haben für mich Mensch und Natur oberste Priorität. Wir sind es unseren Kindern und Enkel/innen schuldig, für Nachhaltigkeit zu sorgen und mit Sorgfalt und Behutsamkeit die wunderbaren Schätze der Schöpfung zu nutzen.
Lisette Müller-Jaag
Kantonsrätin EVP, Knonau
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