Artikel vom Dezember 2009, Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern

 

Kantonsrätinnen meinen.. von von Lisette Müller-Jaag,

Mut zur Kultur

Ein Weihnachtslied schallt mir im Zuger Bahnhof entgegen. Noch bleiben ein paar Minuten zum Umsteigen und mich berühren lassen - dann kommt die S9. Gut gelaunt steige ich ein und lasse mich während der Fahrt von den Lichterketten an Häusern, Bäumen und Fenstern verzaubern.
Im märchenhaft verschneiten Dorf ist es geheimnisvoll schön. Und zu den Tönen knirschender Schritte gesellen sich Düfte warmer Guetzli und frisch gefällter Weihnachtszweige. Erinnerungen sind auch immer Botschaften einer Kultur. Ich freue mich auf Weihnachten und aufs Feiern. Dabei ist mir aber auch sehr wohl bewusst, dass da, wo ein leer bleibender Platz am Tisch, wo der Weggang eines geliebtem Menschen noch schmerzt, die fröhlichen Festtage so fröhlich nicht sind. Zur Freude gehört auch die Wehmut über deren Vergänglichkeit. Und das Licht, das Dunkel erhellt.

Kinder leben in der Gegenwart und nehmen die Ereignisse um sie herum einfach auf. Das zeigt sich in ihrem Eifer bei den Weihnachtsvorbereitungen und ihrer freudigen Erwartung auf den Heiligen Abend. Die Geschichte von Bethlehem ist zentraler Teil der christlichen Kultur und wird ein Leben lang Spuren hinterlassen. Nichts wäre wohl verfehlter, als an unseren Schulen das Singen von Weihnachtsliedern und das Feiern der Geburt Christi zu verbieten. Auch weil dies die falsche Antwort auf den Zuwachs an Menschen aus anderen Kulturen wäre. Denn wer die Schweiz als Heimat wählt, soll auch unsere Sitten und Bräuche kennen lernen. Sie prägen das Leben und sind den meisten von uns lieb. Sie bestimmen auch die Regeln mit denen ein friedliches Zusammenleben seit Jahrhunderten gelungen ist. Mit Selbstbewusstsein die eigene Kultur zu leben, schafft Identität und erlaubt auch Respekt für die andern. Gegenseitiger Respekt ist in einer multikulturellen Gesellschaft unabdingbar, besonders in einer Demokratie. Respekt schafft Lebens-, Entfaltungs- und Gestaltungsraum. Der Zürcher Kirchenratspräsident, Ruedi Reich, rief kürzlich im „Landbote“ dazu auf, die eigene Kultur zu leben. In dieser Jahreszeit heisst das, Weihnachten feiern und Weihnachtsfeiern zulassen.

Zulassen allein genügt jedoch nicht, wenn es um die Regeln eines Systems für das Zusammenleben geht. Was in unserer Verfassung steht, muss auch gelebt und befolgt werden, damit die Werte erhalten bleiben. Es ist daher verständlich und gut, wenn Regelverletzungen Unmut auslösen. Wenn sich einzelne nicht an Übereinkünfte halten, mutwillig gemeinsames Gut zerstören, gewalttätig sind und ihre eigene Sicht der Welt durchsetzen wollen, weckt das Gefühle, auch Wut. Negative Emotionen sind natürliche Alarmzeichen, die uns auf etwas aufmerksam machen, das vielleicht nicht stimmt, uns verletzt, verunsichert oder gefährdet. Sich über Fehlverhalten öffentlich zu äußern, wird allerdings immer heikler. Allzu schnell wird man zum Rassisten gestempelt oder vom Opfer zum Täter gemacht. Also besser schweigen, obwohl Regelverstösse wütend machen?

Wer ins Ausland geht, passt sich an, nimmt die geltenden Regeln zur Kenntnis und richtet sein Verhalten nach ihnen aus. Knigge lehrte uns das schon früh und wäre über das Resultat der Minarettinitiative wohl kaum erstaunt. Das klare Ja zum Minarettverbot, hat denn auch wenig mit Türmchen zu tun, die uns bisher eher fremd waren. Und es ist bestimmt auch keine Absage an eine weltoffene und tolerante Schweiz. Viel mehr ist es eine Reaktion auf eine Politik, die natürliche Gefühle zu wenig ernst nimmt und nicht mehr an die Kraft der eigenen Kultur glaubt. Wer ein „Ja“ in die Urne warf, stellt sich damit nicht einfach gegen unsere Verfassung, in welcher die Religionsfreiheit verbrieft ist. Auch wenn ein Abstimmungszettel vielleicht nicht das richtige Mittel ist, um seinem Zorn Ausdruck zu verleihen, ist diese Reaktion nachvollziehbar. Zu lange haben wir hingenommen, wenn Regeln verletzt wurden. Wer von einer Bande verprügelt wird, hat genug von politischen Sonntagsreden. Und viele junge Schul- oder Lehrabgänger, haben inzwischen das Gefühl, für die Integration würden mehr Stellen bewilligt als für ihre berufliche Zukunft. Wird die persönliche empfundene Fairness dauernd verletzt, sammelt sich Unmut. Aber wie kann ihm Ausdruck verliehen werden, wenn die „politische Korrektheit“ dies verbietet? Solange wir darauf keine guten und tragfähigen Antworten finden, riskieren wir auch in Zukunft, dass Abstimmungen zum Ventil unterdrückten Empfindens werden.

Aus der Abstimmung über die Minarettinitiative lerne ich, dass wir Unmut ernst nehmen müssen und strafbares Handeln nicht akzeptieren dürfen. Unser Land ist Jahrhunderte lang von einer Kultur geprägt worden, deren Ursprung wir an Weihnachten feiern. Und gerade weil ich zu unserer Multikulturalität stehe, und sehe, dass die christliche Kultur durch Werte anderer Religionen bereichert wird, möchte ich wichtige Regeln erhalten, indem sie auch durchgesetzt werden. Die Kultur im Heimatland darf nicht als Entschuldigung hingenommen werden, unser Recht zu verletzten. Wer unter Alkoholeinfluss und Drogen öffentliches Gut zerstört oder einen Menschen angreift, darf nicht auf mildernde Umstände hoffen. Und Nichtwissen darf nach wie vor nicht vor dem Gesetz schützen. Wir müssen auch aufwachen und zur Kenntnis nehmen, dass die Welt nicht nur gut ist. Es gibt Schreckliches, an das sich die Gesellschaft nicht gewöhnen darf. Jugendschutz heisst deshalb auch weniger Konsum von Gewalt, Sex und Crime. Die heutige Technik mit ihrem nicht zu kontrollierenden Zugang zu Darstellungen von „allem was Gott verboten hat“ birgt die Gefahr, unsere Gefühle abzustumpfen. Die Botschaft von Weihnachten heisst auch, Vorbildern zu folgen, die unseren Respekt verdienen und uns eine Richtung weisen, die zu mehr Menschlichkeit führt.

Die weihnächtliche Botschaft redet von (Nächsten-)Liebe, von Genügsamkeit und der Hoffnung auf Frieden. Sie gehört zu unserer Kultur. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern von Herzen ein frohes und besinnliches Fest.

                                                                      Lisette Müller-Jaag, Kantonsrätin EVP, Knonau

 
  14-Feb-2011 aktualisiert