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Artikel
vom 9.04.09, Anzeiger
aus dem Bezirk Affoltern
Kantonsräte meinen.. von Lisette Müller-Jaag, Knonau
Wahre Helden haben eine Botschaft
Es gibt Abenteurer, die stürzen sich einfach ins Getümmel, um ins Fernsehen zu kommen und dort nichts zu sagen – und es gibt Abenteurer, die Risiken auf sich nehmen, weil sie eine wichtige Botschaft verbreiten wollen. Als Schweizer dürfen wir stolz darauf sein, dass zu den wahren Helden der bekannte Ballonfahrer Bertrand Piccard gehört. Ganz in der Tradition seiner berühmen Familie stellt er seinen Mut, seine Kreativität und seine Abenteuerlust in den Dienst einer Forschung, die der Menschheit mögliche Wege in die Zukunft weisen soll.
Was für Jacques Piccard, das Wasser war, ist für seinen Sohn die Luft. Machte uns der eine auf die Wunder und Gefährdungen der Meere aufmerksam, sensibilisiert uns der andere für die Atmosphäre, das Klima und erneuerbare Energien. Ohne Moralfinger, einfach durch Handeln und Taten. Und durch ihre Hartnäckigkeit teilen sie uns mit, dass es sich langfristig lohnt, für eine Sache zu kämpfen. Seit Jahren ist Bertrand Piccard daran, ein superleichtes Flugzeug zu entwickeln, das seinen „Treibstoff“ ausschliesslich von der Sonne bezieht. Einen solchen Pionier anlässlich einer Veranstaltung von „Solarimpulse“ persönlich kennenzulernen, war für mich Ereignis und Freude zugleich. Und beeindruckend, als er uns beim Besuch seiner Werkstatt auf dem Flughafen Dübendorf einige Details erklärte. 80 Meter beträgt die Spannweite der Flügel, was fast so lang ist wie ein Fussballfeld. Trotz der Dimensionen wiegt das revolutionäre Fluggerät maximal 2'000 kg. Mit der Durchschnittsgeschwindigkeit von 70km/h will es Bertrand Piccard schaffen, in 30 Tagen um die ganze Welt zu fliegen. Angetrieben von der Sonne, deren Energie von Solarzellen auf einer Oberfläche von 250m2 umgewandelt wird. Allzu nahe durften wir Besucher dem Wunderding allerdings nicht kommen, da sein Erfinder das gewagte Unternehmen verständlicherweise nicht durch Verunreinigungen oder Beschädigungen gefährden will.
Die erste Weltumrundung in einem bemannten Solarflugzeug ist ein Bahn brechendes Projekt, das die Grenzen des Machbaren neu setzen soll. Wenn Piccard in einer Flughöhe zwischen 1 und 12 Km um die Welt fliegt, allein mit der Kraft der Sonne, dann ist das zwar ein Abenteuer, aber eben eines mit Botschaft. Denn der bekannte Schweizer will sichtbar machen, wie gross die energetische Kraft der Sonne ist. „Wenn wir das Potenzial erneuerbarer Energien nicht nutzen, haben wir grosse Chancen vertan“, sagt er und präzisiert, dass dies für den Klimaschutz ebenso zentral ist wie für die Wirtschaft.
Für den Klimaschutz? Ja, das sagt auch der bekannte „Wettermann“ und Kantonsrat Patrick Hächler. Er beobachtet die Natur seit Jahrzehnten. Die Temperaturen in der Schweiz sind seit 1900 um 1-2 Grad angestiegen. Und für das Jahr 2100 prognostiziert er, dass die winterlichen Nullgrad- und Schneegrenzen gegen 500m höher liegen werden als heute. Die Folgen sind bekannt: Vermehrte Trockenzeiten und Hitzeperioden, veränderte Vegetation, steigender Permafrost, erhöhte Bergsturzgefahr und zunehmende Erosion. Obwohl wir das alles schon gehört haben, machen uns seine Fotografien über den Rückzug der Gletscher Eindruck. Es ist eben etwas anderes, ob man über Klimaerwärmung spricht oder ob man sie sieht. „Es ist jedoch (noch) nicht in erster Linie die zunehmende Schmelzwassermenge, die zu einem steigenden Meeresspiegel und in der Folge zu Überschwemmungen führt, sondern es ist die Erwärmung des Wassers“, sagt der Physiker und Meteorologe. „Wärmeres Wasser hat eine grössere Ausdehnung und führt dazu, dass Küstengebiete häufiger überflutet werden. Tausende von Menschen in der 3. Welt verlieren dadurch ihr Hab und Gut, ihr Obdach oder sogar ihr Leben.“ Global denken, lokal handeln – der alte Leitspruch der „Erklärung von Bern“ hat seine Gültigkeit keinen Deut verloren.
Energiepolitik ist die globale Herausforderung, meint der schwedische Botschafter in Bern, Herr Per Thöresson. Und er weist darauf hin, dass sein Land schon vor 20 Jahren beschloss, von der Erdölabhängigkeit wegzukommen. Schweden ist das erste Land, das die angestrebte CO2-Reduktion schafft. Möglich wurde das nur, weil diese Politik von allen Parteien im Parlament mitgetragen wird. Und das Schönste an dieser Politik ist, dass von ihr nicht nur die Umwelt profitiert, sondern auch die Wirtschaft, die ein aussergewöhnliches Wachstum zu verzeichnen hatte. Schwedens Klimapaket 2009 verlangt nun, dass im Jahr 2020 die Hälfte aller Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen stammt und keine fossilen Brennstoffe mehr für Gebäudeheizungen benutzt werden. Im 2030 soll es nur noch von fossilen Treibstoffen unabhängige Fahrzeuge geben, und im 2050 wollen sie keine Nettoemmissionen von Treibhausgasen mehr haben. Wie gross das Wachstumspotenzial der Wirtschaft durch erneuerbare Energien ist, zeigt übrigens auch die Kinsey-Studie vom Januar 2009.
Auf die Frage, ob es wohl möglich sein wird, auch Passagierflugzeuge mit Solarenergie zu betreiben, verwies Bertrand Piccard auf die Geschichte: „Als den Brüdern Orville 1903 ein 12 Sekunden langer Motorflug gelang, glaubte man, ein Flug über den Atlantik sei nie möglich. Nachdem es Lindbergh 1929 geschafft hatte, hielt man es nicht für möglich, dass dies auch ein Passagierflugzeug tun könnte….“ Ist das Potenzial nicht unendlich viel grösser als wir wahrhaben wollen?
Lisette Müller-Jaag, Kantonsrätin EVP
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