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Artikel vom ,18. April 2008 Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern
Kantonsräte meinen.. von Lisette Müller-Jaag, Knonau
Demokratie auf dem Spiel (…-feld)
Was braucht es, um in unserem Alltag etwas zu bewegen? Wann steigen Tausende von Frauen und Männern in den Zug und reisen nach Bern? Wären es schon die Fanclubs der Fussballstars, dann hätte die Euro 08 bereits begonnen. Die Alben der Panini Bildchen wären schon halb voll - und am Rande des Spielfelds würde gejubelt oder getrauert. Doch der Fanclub, von dem ich schreibe, ist ein ganz anderer. Nach Bern zog es letzte Woche die Fans der Schweizer Demokratie. Ein schönes und bemerkenswertes Ereignis.
Die im Kantonsrat verlosten Eintrittskarten für die Fussballspiele habe ich andern überlassen. Was mich mehr interessiert und bewegt ist das Spiel einer Partei, die zwar gross ist, aber im Umgang mit anderen Menschen wenig Grösse zeigt. Auch das politische Parkett ist ein Spielfeld. Doch was wir in den letzten Tagen erlebten, lässt befürchten, dass die wichtigste Figur in Gefahr ist, die Demokratie. Denn von Fairplay kann keine Rede sein. Und viel Respekt für eine Spitzensportlerin lässt sich ebenfalls nicht erkennen. Was die „grosse“ Partei in Bern zeigt, ist kein wirkliches Spiel, sondern bedauerliches Tamtam und Demonstration der Macht. Das bewegt ganz offensichtlich viele Menschen, auch mich.
Farbig präsentierte sich die Schweiz letzte Woche in Bern. Farbige Ballone, farbige Schirme und Tausende von Menschen, die Farbe zeigten und damit klar Stellung beziehen. Vereint mit vielen andern vertreten sie ihre Meinung einer gesunden Demokratie. So unterschiedlich ihre Ansichten sonst sein mögen, nach Bern reisen sie, um ein gemeinsames Ziel zu vertreten. Auf dem Bundesplatz hören wir alle vier Landessprachen und erblicken Menschen aus allen Landesteilen, aus allen Parteien,
aus allen Generationen. Neben der Studentin, läuft ein Handwerker, neben ihm eine Regierungsrätin. Nur die Bündnerfahne und diejenigen, die sie hochhalten geniessen verständlicherweise eine Art Vorrecht. Gemeinsam wollen sie daran erinnern, was
unsere Vorväter einst gelobt hatten: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern“. Gemeinsam wollen sie das Versprechen einlösen, das sich die Menschen aus den helvetischen Talschaften vor über 700 Jahren gegeben hatten. Denn sie haben erkannt, dass öffentliches Ansehen und Wohl nur möglich ist, wenn Friedensordnungen dauernde Gültigkeit haben.
Die Männer und Frauen sind eigens nach Bern gereist, um urschweizerische Werte zu vertreten. Um das einzufordern, was wir uns als Regeln selber gegeben hatten.
Diese Regeln zu achten, ist der Grundstein unserer Demokratie, in Achtung und gegenseitigem Respekt für anders Denkende. Als 1948 unser Bundesstaat gegründet wurde, hatte man das Versprechen anders Denkenden mit Respekt zu begegnen. Und seither haben alle National- und Ständeräte und jedes Mitglied des Bundesrats gelobt, ihr Amt mit Respekt und Würde, zum Wohle der Gemeinschaft auszuüben. Jede und jeder von ihnen ist sorgfältig auserkoren und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gewählt worden. Eine respektvolle Haltung, Ehrlichkeit und Fairness wie auch ein anständiger Umgang bestätigen die hohe Würde und die konstruktive politische Kultur.
Wenn nun Tausende von Frauen und Männern aus der ganzen Schweiz nach Bern reisen, weil sie besorgt sind, ist das ein ganz starkes Zeichen. Tausende von Menschen, die mit ihrem Kommen zeigen wollen, dass ihnen die politische Kultur von Anstand und Würde wichtig ist und dass sie die ungerechtfertigte Ächtung unserer demokratisch gewählten Bundesrätin nicht gutheissen. Sie verurteilen aufs Schärfste den rüden Umgang mit der nach rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen gewählten Bundesrätin. Sie fordern die Würde ein und den Respekt, ohne den die Demokratie nicht funktioniert. 15 000 Menschen unterwegs. Friedlich und würdig war die Demonstration. Und sie demonstrierte grad selber die Werte sowie die Wahrung von Respekt und Frieden, für welche sie eintrat.
Knonau, 16. April 2008,
Lisette Müller-Jaag, Kantonsrätin EVP
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